Lange konnte ich mich kaum an meine Kindheit erinnern.
Es war wie ein leerer Raum mit ein paar flackernden Bildern.
Einzelne Szenen, kleine Bruchstücke – aber kein Zusammenhang, kein echtes Gefühl
dazu. Als hätte mein System gesagt:
„Das brauchst du nicht mehr. Geh einfach weiter.“
Und so bin ich weitergegangen. Jahre, Jahrzehnte, mit einem seltsamen Loch in mir.
Ich wusste nie genau, woher meine Unsicherheiten kamen. Meine Scham.
Mein ständiges Hinterfragen. Meine Angst, zu viel zu sein. Oder nie genug.
Ich dachte, das ist halt so. Ich bin halt so. Aber tief in mir wusste ich:
„Da war mehr. Und es war nicht schön.“
Erst als ich anfing, an mir zu arbeiten – als ich Themen wirklich ansah,
statt sie zu umgehen, kamen Stück für Stück die Erinnerungen zurück. Nicht alle.
Aber viele. Und manche davon so heftig, dass ich sofort verstand,
warum ich sie so lange verdrängt hatte.
Da waren Gefühle, für die ich keine Worte hatte. Momente, die ich nicht glauben
wollte. Situationen, in denen ich mich als Kind nicht nur allein, sondern falsch gefühlt
habe. Zutiefst beschämt. Übersehen. Verdreht.
Ich habe verstanden, dass mein Schweigen ein Überlebensmechanismus war.
Aber ich wollte nicht mehr nur überleben. Ich wollte leben. Echt.
Ich wollte ganz werden.
Es war ein Abend, den ich nie vergessen werde.
Ich war allein.
Und plötzlich war da nicht mehr nur das Gefühl – sondern das ganze Gewicht
dahinter. Ich habe geweint. Geschrien. Gezittert. Ich konnte kaum atmen.
Ich habe erneut gefühlt, was ich damals als Kind gefühlt habe – mit voller Wucht.
Ohne Filter. Ohne Flucht. Ohne Schutz. Es waren zwei Stunden purer Schmerz.
Zwei Stunden voller Leid, Qual, Angst, Scham und innerer Zerrissenheit.
Ich habe geglaubt, ich halte das nicht aus.
Ich habe gedacht, ich zerbreche daran.
Aber ich bin nicht zerbrochen. Ich bin durchgegangen.
Es war, als hätte ich all die Jahre eine Tür verschlossen gehalten und sie nun endlich
aufgestoßen.
Nicht, um zu leiden – sondern um mich zurückzuholen.
Ich habe an diesem Abend die Anni gesehen, die ich so lange weggeschoben hatte.
Die, die sich geschämt hat.
Die, die sich falsch gefühlt hat.
Die, die gesehen werden wollte.
Die, die einfach nur geliebt werden wollte.
Und ich habe ihr gesagt:
„Du bist nicht mehr allein. Ich bin hier. Komm nach Hause.“
Seit diesem Abend hat sich vieles verändert.
Nicht alles ist leicht geworden. Aber vieles ist klar.
Ich fühle mich heute verbundener mit mir selbst. Ich renne nicht mehr weg.
Ich verdränge nicht mehr alles, was wehtut. Ich lerne zu halten, was da ist.
Und ich wachse daran. Ich habe verstanden:
Heilung heißt nicht, dass die Welt sich ändert
Heilung heißt, dass ich mir selbst genug bin, um meinen eigenen Weg zu gehen – auch wenn keiner ihn versteht.
Heilung heißt: Ich steh für mich ein. Immer.
Du bist nicht kaputt. Du bist nicht komisch. Du hast nicht „vergessen“.
Du hast dich geschützt. Aber wenn du heute spürst, dass du bereit bist,
dann darfst du langsam, sanft, mitfühlend mit dir selbst die Tür wieder öffnen.
Nicht alles auf einmal.
Aber Schritt für Schritt. Deine Wahrheit wartet nicht auf Drama.
Sie wartet auf dich. 🤍
„Ich hab nicht vergessen. Ich hab überlebt. Und heute bin ich bereit.“